Verständigung zwischen getrennten Eltern

Trennung ist schmerzhaft, ist Leiden, ist Wut, Ohnmacht, Enttäuschung und noch viel mehr. Es kann sich anfühlen wie ein bodenloses Loch. Und es ist ok, wenn ich in meiner Hilflosigkeit dem/der Anderen für einen Moment die Schuld gebe. Wenn ich länger beim Schuld zuweisen oder Rachegedanken bleibe, ist es Zeit, mir Hilfe zu suchen. Nein, Hilfe-Suchen ist keine Schwäche. Es ist (m)eine große Stärke, um mir selbst mit meinem Gefühls- und Gedankenkarussell zu helfen. Es liegt in meiner Macht mittels Hilfe, mein Leiden zu kürzen.

Ich bin selbst Vater und getrennt. Ja, ich habe gelitten und mir Hilfe gesucht und erkannt, dass ich nicht verloren habe. Das Ende meines Leidens begann, als ich meine Beiträge zu dieser Trennung erkannte und akzeptierte. So paradox es scheint, die Annahme meiner „Schuld“ beendete mein emotionales Kino der Wut, der Verzweiflung und vieles mehr. Ich erkannte meine eigene Macht, wurde mir meiner Gestaltung bewusster und habe viel für mich gelernt. Vorher Ungeahntes bereichert jetzt mein Leben. Diesen Wandel zu erleben, brauchte keine Jahre.

Schuld ist eine energetische Last und es ist hat mir und uns sehr geholfen, damit bewusst umzugehen. Die erste Erleichterung war das o.g. Erkennen meines eigene Beitrags. Der weitere wichtige Aspekt ist die Entlastung des/der früher Beschuldigten. Diese Entlastung ist wichtig, damit auch diese Person sich von ihren (unbewussten) Verteidigungsverhalten löst und wieder für eine neue Form der Verständigung öffnet. In meinem Fall habe ich konkret die „Schuldthemen“ angesprochen und deutlich signalisiert, dass ich meine Sicht verändert habe und die Schuldfrage für mich keine Rolle mehr spielt.

Und so können wir sehr gut gemeinsam Eltern sein. Die Kinder brauchen uns beide. Wir tauschen uns aus, feiern zusammen und integrieren unsere Freunde und Verwandtschaft. Oft fragen mich andere: „Wie macht Ihr das? Ist das nicht schwierig?“. Nein, denn wir kämpfen nicht. Wir wissen, dass in diesem Kampf alle verlieren würden! Wir verständigen uns! Und das ist für Kinder und Erwachsene sehr befriedigend und nährend.

Und ja, Kinder wünschen sich, dass Mama und Papa wieder zusammen leben und in einem Bett schlafen. Das dürfen sie auch. Es ist besser, ihnen diese Wünsche zu lassen und nicht wegzureden. Nehmen Sie Ihr Kind in den Arm und sagen Sie: „Ich verstehe Deinen Wunsch, auch wenn ich ihn nicht erfüllen kann.“ Und halten Sie in diesem Moment dieses Gefühl einfach gemeinsam aus – es geht vorbei, kommt wieder und geht wieder vorbei.

Wenn es Ihnen möglich ist, dann schaffen sie regelmäßige gemeinsame Eltern-Zeiten mit Essen, Spielen, vielleicht sogar ein Ausflug oder ein Urlaub. Wenn all dies für Sie derzeit nicht vorstellbar ist, dann lesen Sie einige Ansätze, die mir und anderen geholfen haben:

Der getrennte gemeinsame Weg

Investieren Sie soviel wie möglich, was zu einer Verständigung beiträgt! Jeder eingesparte Euro beim Anwalt bringt doppelte Zeit bei einem Coach oder Therapeuten. All ihre Zeit mit Kopfkino und wilden Gefühlen wird schneller weniger, wenn Sie sich dabei von anderen helfen lassen. Sie und ihre Kinder werden Lebensqualität gewinnen. Das was Sie auf diesem Weg lernen, hilft Ihnen auch in Ihren sonstigen Beziehungen im Alltag und auch für eine mögliche neue Partnerschaft.

Suchen Sie sich moderierte Unterstützung um im Gespräch zu bleiben. Dieser gemeinsame Verständigungsprozess funktioniert leichter und besser, wenn sich beide unabhängig voneinander in dieser Phase persönlich begleiten lassen. All das ist nicht teuer, denn sobald Sie die ersten Schritte gelernt haben, können Sie vieles ohne externe Unterstützung angehen. Wenn es dochmal hakt, reicht oft eine kurze Hilfestellung.

Das wesentliche Prinzip, dieser gemeinsamen Gespräche & Methoden ist, dass Sie ihre kommunikativen Fähigkeiten erweitern, indem Sie mehr von und über sich selbst sprechen. Durch das Neu-Kommunizieren kann das Alte sich leichter auflösen und nebenbei lernen sich selbst besser kennen. Der einfachste Weg dafür sind Zwiegespräche. Zwiegespräche sind ergebnisoffen, aber haben dennoch eine Entwicklungswirkung. Diese funktioniert indem neue Beziehungsebenen geschaffen werden, welche die alten Beziehungsebenen verändern.

Zeitliche StrukturTerminlich regelmäß (z.B. Wöchentlich) an einem ungestörten Ort, jeweils zeitlich begrenzt (empfohlen 1 bis 1,5 Stunden), Feste und gleich verteilte Redezeiten – ca. 5 bis 15 Minuten im Wechsel
SprechenSprechen Sie von/über sich und für sich selbst: Wie geht es mir in einer Situation? Was wird bei mir ausgelöst? Wie erlebe ich sie? Was fehlt mir bzw. brauche ich? Was ist mein Wunsch? … Seien Sie so ehrlich wie möglich, auch wenn es sich ungewohnt und entblößend anfühlt. Sie dürfen auch innehalten und Pausen machen. Und sagen Sie ruhig „Danke“ wenn Sie fertig sind.
ZuhörenHören Sie mit so vielen Sinnen und so wenig innerer Bewertung wie möglich einfach nur zu. Seien Sie einfach nur da. Sie haben jetzt die Chance zu verstehen und Ihr Gegenüber kennen zu lernen. Keine Kommentare oder andere Äußerungen, möglichst auch keine inhaltlichen Verständnisfragen. Sie müssen mit dem Gehörten nichts machen. Es darf einfach wirken – und auch hier dürfen Sie „Danke“ sagen, wenn Ihr Gegenüber fertig ist.
Prinzipien der Zwiegespräche

Diese Darstellung zu Zwiegesprächen soll einen Überblick geben und ersetzt nicht eine moderierte externe Unterstützung am Anfang. Diese empfehle ich mindestens für die ersten drei bis fünf Gespräche. Das hilft, Vertrauen in die neue Kommunikation zu schaffen. Außerdem beschleunigt sie das gegenseitige Verständnis mittels verschiedener Übersetzungsmethoden durch den/die Moderator*in.

Wichtig ist auch die individuelle persönliche Begleitung. Diese gibt Ihnen die Chance, sich und ihre persönlichen Beziehungsthemen kennenzulernen. Eine solche Begleitung sollte Sie ermächtigen, auch unabhängig von Ihrer/m Expartner/In, sich von alten Belastungen zu lösen und Verletzungen zu heilen.

Suchen sie sich Ihre Unterstützung selbst aus. Achten Sie dabei auf Ihr Gefühl! Heilen und Neues-Lernen funktioniert besser, umso mehr Ebenen angesprochen werden. Nutzen Sie Körper, Geist und Seele und üben sie spielend. Und ja – es darf im Selber-Kennenlernen auch mal unbequem sein. Nehmen Sie Anregegungen und Vorbilder und machen Sie diese dann zu Ihrer eigenen Übung. Es geht oft darum, dass Sie mehr Vertrauen entwickeln. Damit meine ich Ihr Vertrauen in Ihre Emotionen und in Ihre Fähigkeiten mit diesen umzugehen.

Der getrennte getrennte Weg

Was, wenn sich ein Elternteil gemeinsamen Verständigungsprozessen entzieht und sich selbst auch keine Hilfe sucht?

Dann gilt es neue Formen der Verständigung zu lernen. Das beginnt bei dem Elternteil, welches sich verständigen möchte. Wenn Sie dieser Mensch sind, ist es hilfreich für sich selbst Wege der Deeskalation zu finden. Damit meine ich, emotional aus dem Kampf aussteigen und immer wieder loslassen. Gleichzeitig gilt es neue Formen zu entwickeln, um für sich einzustehen und das zu tun, was zum eigenen Wohlbefinden beiträgt. Das ist nicht egoistisch, denn aus dieser Stärkung kann wohlwollend die andere Partei gesehen werden. Wichtiger noch: diese Stärkung gibt Ihnen die Kraft für den Umgang mit den Kindern, die Halt und Vertrauen brauchen.

Ich finde den Ansatz hilfreich, alle alten Beziehungsebenen und Muster aufzulösen. Die Ausrichtung ist, der sich verweigerndes Partei immer weniger alte Beziehungsfläche zu bieten, denn jeder Streit ist fortgelebte Beziehung. Und jeder Wunsch von Ihnen, auf die andere Partei einwirken zu wollen, hält die alte Beziehung am Leben. So empfehle ich, immer wieder Loslassen lernen und damit die Beziehung immer umfassender zu beenden. Denn das Ende der alten Beziehung ermöglicht besser etwas Neues.

Jeder Entzug der Beziehungsfläche, wirft die kämpfenden Partei auf sich selbst zurück. Das widerum unterstützt indirekt deren Trennungsprozess. Das kann in der Konsequenz auch bedeuten, dass Sie die angestrebte Verständigung vorläufig aufgeben. All dies sollte Sie befähigen, freier und machtvoller in Ihren Reaktionen und im Gestalten zu werden. Damit meine ich die Veränderungen in der Art WIE Sie etwas tun oder auch nicht tun.

All dies ermöglicht Ihnen immer wieder neu anzfangen und liebevoller zu sein. Es wird leichter, die andere Partei zu lassen, neu zu verstehen und jedes noch so kleine Verständigungszeichen wertzuschätzen. Sie werden merken, dass all dies Ihnen selbst und ihren Kindern gut tut und ihren Alltag erleichtert. Und sehr wahrscheinlich hat das auch befriedende Auswirkungen auf Ihr kämpfendes Gegenüber.

Und gleichzeitig dauert dieser Weg länger und ist beschwerlicher. Schon deswegen ist es wichtig, dass Sie sich gut selbst kennen lernen. So wissen Sie besser was Sie auf Ihren Weg stärkt. Nutzen Sie verschiedenste persönliche Begleitung in der Arbeit und Übung mit Körper, Geist und Seele mit den Hinweisen vom letzten Absatz beim getrennt gemeinsamen Weg (siehe oben).

Ich wünsche Ihnen als Eltern und Ihren Kindern alles Gute mit viel Verstehen und Verständigung.

Frank Breyer